In der vergangenen Woche wurde über den Journalisten Tim Mönch bekannt, dass in einer erzgebirgischen Schulklasse ein beachtlicher Teil der Elternschaft über eine Gedenkfahrt sowie derer Vorbetrachtung mit dem Ziel der Verhinderung dieser beschwerte. „Mehrere Eltern“, so Mönch „kündigten wohl an, sich beim Schulamt darüber beschweren zu wollen.“ Geplant seien eine Auseinandersetzung mit dem Tagebuch von Anne Frank sowie die Fahrt in die Gedenkstätte Buchenwald. Da dieser Beitrag enorme Reichweite erfuhr möchten wir dazu Stellung beziehen.
Erzgebirgische Verhältnisse
Recht eindeutig leiten sich die Motive der Eltern aus starken Geschichtsrevisionismus ab, welcher mindestens als Relativierung der Shoa zu verstehen ist. Um es jedoch gleich auf den Punkt zu bringen: die Relativierung oder Verleumdung der Shoa ist im Erzgebirge – wie im ländlichen Sachsen generell – gesellschaftlich derart tief verwurzelt, dass dies kein Einzelfall sondern den Alltag darstellt. Es handelt sich schlichtweg um einen Auszug der verhärteten Volksgemeinschaft. Darum möchten wir das Auflösungsstatement der Autonomen Antifa Westerzgebirge [aawe] aus dem Jahre 2012 zu Besten geben:
Verbohrtheit, Alltagsrassismus, Stumpfsinn, Traditionsabhängigkeit und Heimattümelei – Die Top 5 der negativen Vorzeigeeigenschaften der hiesigen Gesellschaft. Nichts Neues? Stimmt. Trotzdem seien diese noch ein letztes Mal genannt, da sie der Grund dafür sind, dass eine linksradikale Kritik nicht im Entferntesten fruchten kann. In solch einer verhärteten Volksgemeinschaft ohne jegliche Anknüpfungspunkte an zivilgesellschaftliche Initiativen ist es fast unmöglich eine Außenwirkung zu erzielen und ein kritisches Bewusstsein gegenüber Ausgrenzungsmechanismen, Nationalismus und Antisemitismus zu erzeugen. Wie auch, wenn es nicht einmal Jugendclubs gibt, die sich zumindest „gegen rechts“ positionieren (können), von linken Freiräumen ganz zu schweigen. Unter diesen Umständen ist eine politische Arbeit, die sich nur ein wenig vom untersten Low-Level des Antifaschismus abheben möchte, reiner Selbstzweck. Da unsere Arbeit schon lange hinter den von uns gesetzten Ansprüchen stagniert, verzichten wir in Zukunft auf weitere Aktivitäten und Veröffentlichungen.
Angesichts dieser Realität, welche sich in den letzten 8 Jahren zusätzlich verschärft hat, ist zu bedenken, inwiefern eine Schule eine Ausnahme bilden solle. Es ist eine wie jede andere auch, nur das eine Lehrkraft dies öffentlich macht.
Wie damit umgehen?
Schnell wurden Stimmen laut, Name und Ort der Schule zu veröffentlichen. Unserer Meinung nach verkennt aber dieser übliche Antifa-Move die gesellschaftliche Realität. Auch Mönch verzichtet mit Absicht darauf. Wenn überhaupt, kann gesellschaftlicher Druck nur von außerhalb entstehen. Die sogenannte Zivilgesellschaft wird nicht sensibilisiert. Weil sie schlichtweg nicht existiert. Doch zu welchem Preis? Ein Outing in diesem Zusammenhang zieht mit Garantie psychische, wenn nicht sogar physische, Gewalt für die Quelle und deren Umfeld nach sich. Ohnehin ist die Situation für die Lehrkraft angespannt genug. Folglich haben der Selbstschutz und die Grenzen dieser Personen erstmal Vorrang.
Damit wir nicht falsch verstanden werden, wegducken und ignorieren stellen für uns keine Option dar. Deswegen wenden sich die Personen auch an vertrauenswürdige Journalist*innen. Und auch uns sind zumindest ‚problematische‘ Schulen sowie Teile populistisch agierender Elternschaften bekannt. Jedoch empfinden wir es für fatal in rechthaberischer Manier wie der Elefant im Porzellanladen durch die provinziellen Strukturen zu latschen. Antifa bedeutet eben auch Reflexion sowie Feingefühl. In diesem Sinne sprechen wir uns solidarisch mit der Lehrkraft sowie mit den stabilen Eltern aus.