Der Staat wirkt radikalisierend

Am Hamburger Amtsgericht wurde heute das bisher höchste Urteil im Zuge der G20-Einknastungen gesprochen. Dreieinhalb Jahre Haft ohne Bewährung wegen eines einzigen Flaschenwurfs. Zum Vergleich: SS-Typ Oskar Gröning muss wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen – füüüüüür 4(!) Jahre in den Knast. Und die Cottbusser Nazischweine, die in eine Geflüchtetenunterkunft eingedrungen sind und Bewohner*Innen verletzt haben, werden sicherlich auch nur Bewährung kriegen. Der Staat will wieder einmal Exempel statuieren. Er möchte zeigen, dass Menschen (vorwiegend aus der linken Ecke), die ihrer Wut, wie etwa zum G20-Gipfel Ausdruck verleihen, ganz schnell in den Knast wandern können. Tja, Kommunist*Innen und Anarchist*Innen mag heute eben keine*r mehr.

Mal ganz im Ernst – glaubt die bitterdeutsche Justiz, dass sich durch derartige Urteile zukünftige Proteste in kleineren Rahmen bewegen werden oder die Wütenden sich nicht mehr trauen, Steine zu werfen, wenn es ihnen reicht?

Wer weiß, vielleicht geht es einigen so. Vielleicht lassen sich einige vom staatlichen Gehabe einlullen. Aber andere werden sich als Antwort auf diese Zustände wohl oder übel radikalisieren. Diese Prozesse sind recht gut nachzuvollziehen:

Bist du z.B. politisch aktiv und hast die Überzeugung, dass allen Menschen ein schönes Leben ermöglicht werden sollte und du bekommst anfangs kleinere Steine, später immer größere Steine in den Weg gelegt. Sei es von seiten der Behörden oder des Staates, fängst du an, zu hinterfragen, wieso und wie du trotzdem deine Arbeit fortführen kannst. Zunehmende Repression führt dann schnell zu Wut und weitere Steine zu größerer Wut. Schwupps – radikalisiert.

Ja, verkürzte Darstellung aber die Message ist, dass Unterdrückung und Repression, seien es Überwachungsmaßnahmen oder extrem überzogene (Haft)strafen für Demonstrant*Innen früher oder später bei einigen radikalisierend wirken kann und wird.
Der Staat schießt sich damit quasi ins eigene Bein. Er bekämpft die Radikalität, die er gezüchtet hat und erschafft gleichzeitig eine neue und vielleicht noch radikalere Radikalität.